Gestern Abend fand in Frankfurt eine Podiumsdiskussion zum Bündnis für Nachhaltige Textilien, kurz Textilbündis statt. Dies ist eine Initiative des Bundesministeriums für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), initiiert vom Bundesminister Dr. Gerd Müller. Darin möchte er die deutsche Textilindustrie verpflichten, sich für verbesserte Produktions- und
Lebensbedingungen in den Herkunftsländern unserer Kleidung einzusetzen.
Das klingt gut, dachte ich und ging hin, um mir direkt vom Bundesminister anzuhören, was seine Beweggründe sind und wie er die deutsche Textilindustrie dazu bewegen will, da mit mitzumachen.
Hier meine möglichst objektive Zusammenfassung des Abends:
Die Beweggründe für das Textilbündnis
Es war eigentlich unglaublich. Dr. Müller benannte die geringen Löhne in den Entwicklungsländern und die oft sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen als Zustände, die es abzuschaffen gilt! Er möchte
die Beziehungen zu den Entwicklungsländern auf eine faire Grundlage stellen. Es solle die Ausbeutung, die mit dem Beginn einer Industrialisierung einher ginge, verhindert werden.
Sein Ziel sei daher die Verpflichtung der deutschen Textilindustrie auf die Zahlung von existenzsichernden Löhnen und die Einhaltung von Umweltstandards.
Der Entwicklungshilfeminister nannte auch ein paar interessante Zahlen:
Einkaufspreis eines T-Shirts in Bangladesch etwa 0,80€, einer Jeans 3-6€, einer Outdoorjacke in Kolumbien 35€, letztere mit einem Verkaufspreis von 350€ in Deutschland.
Sinngemäß zitiert, möchte Dr. Müller die Lebensbedingungen der Menschen, oft Frauen, in den Herstellerländern verbessern, "denn sonst kommen die Menschen hierher und zwar zu
Recht!"
Das Textilbündnis möchte daher ein neues Siegel einführen, den Grünen Knopf, an dem ein Kunde erkennen kann, ob das Kleidungsstück unter fairen Bedingungen hergestellt wurde. Damit sollen die
Kunden mit ihrer Marktmacht Unternehmen zwingen, sich dem Bündnis anzuschließen und mitzumachen. So ähnlich das heute schon mit dem Bio-Siegel der Fall ist.
Frau Tanja Gönner, Vorstandssprecherin der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) steuerte ein paar interessante Zahlen und Fakten zur Situation in Bangladesch bei. Dort
gebe es etwa 5000 offiziell gemeldete Fabriken in denen circa 4 Millionen Menschen, meist Näherinnen arbeiten. Die Gesetzgebung hätte sich seit dem Unglück von Rana Plaza, als ein Fabrikgebäude einstürzte und über 1000 Menschen starben, verbessert, nur mangele es immer noch an der
Anwendung dieser Gesetze.
Die Textilwirtschaft tut sich schwer
Als Vertreter der Textilwirtschaft war Thomas Voigt, Direktor für Wirtschaftspolitik und Kommunikation der OTTO Group, eingeladen. Er vertrat für mich glaubhaft, dass er persönlich auch nicht
über die Arbeitsverhältnisse in den Herstellerländern glücklich ist, aber ihm war deutlich anzumerken, dass die OTTO Group sich in wirtschaftlichen Zwängen sieht, die dieses Handeln notwendig
macht.
Die vom Bundesminister genannten immensen Gewinnspannen wurden relativiert, da ihnen enorme Marketingausgaben gegenüber stünden. Die Kunden könnten nämlich nur mit massiver Werbung überhaupt zum
Kauf bewegt werden. Die eigentlichen Gewinnmargen seien in Wirklichkeit sehr gering. Er sprach von Renditen von 4-5% im Textilbereich.
Auch seien die Menschen in den Entwicklungsländern oft froh, überhaupt Arbeit zu haben. Auch wenn diese Arbeit teilweise 14-16h am Tag 6 Tage die Woche bedeutete. Für Herrn Voigt war es wichtig
zu betonen, dass nicht alle Näherinnen unter sklavenähnlichen Bedingen arbeiteten, aber das es diese Verhältnisse durchaus gäbe, hat auch er nicht bestritten.
Obwohl sich die OTTO Group "mit Begeisterung" beim Textilbündnis beteilige (dabei war die OTTO Group gar nicht von Beginn an dabei), hatte ich eher das Gefühl, dass die Teilnahme als
Wettbewerbsnachteil gesehen wird. Die Verpflichtung auf Standards bei Löhnen, Arbeitsbedingungen und Umweltschutz führe klar zu Mehrausgaben, die die Gewinne schmälern. Das Geschäftsergebnis
dürfe aber nicht gefährdet werden.
Auch wurde beklagt, dass das Textilbündnis eine rein deutsche Angelegenheit sei und ausländische Unternehmen nicht unter dieser "Wettbewerbsverzerrung" leiden würden.
Er betonte mehrfach, das Bündnis werde nicht die Welt retten, und die Löhne werden nicht schnell steigen. Deutschland solle vielmehr ein Vorreiter sein und es solle auf eine weltweite
Einforderung gedrungen werden.
Kritik an der Textilwirtschaft
Als Gegenpart zur Textilindustrie sprach Berndt Hinzmann, ein Textilexperte des Inkota-Netzwerks und Vertreter der Kampagne für Saubere Kleidung. Er sagte, das sich ohne öffentlichen Druck auf die Textilunternehmen wenig
bewegen würde.
Es sei sehr wichtig, die Menschen in den Entwicklungsländern zu stärken, indem dort Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen aufgebaut werden. Damit setzt er auf die Selbstorganisation der
Menschen vor Ort.
Schön, sei es, das schon so viele Unternehmen dem Textilbündnis beigetreten seien. Aber eine Mitgliedschaft bedeute nicht automatisch auch die Zahlung von fairen Löhne! Wir als Kunden sollten die
Unternehmen daran messen, was sie tun und nicht was sie sagen. Er forderte daher verpflichtende Standards und unabhängige Überprüfungen!
Und genau dazu gäbe es ja schon heute aussagekräftige Siegel, wie z.B. das Fair Wear Siegel oder GOTS.
Ausblick und Empfehlung
Das wäre auch meine Empfehlung, sich beim Kleidungskauf an zertifizierte oder glaubwürdige Stellen zu wenden.
Das Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat dazu auch eine eigene Webseite, namens Siegelklarheit eingerichtet, die über die am meisten verbreiteten Siegel informiert.
Ich glaube, diese Empfehlung, die ich auf der Seite des BMZ gefunden habe, rundet den gestrigen Abend ganz gut ab:
"Fragen Sie in Ihrem Lieblingsgeschäft oder bei Ihrer Lieblingsmarke nach, unter welchen Bedingungen die Ware hergestellt wird. Kein Unternehmen kann es sich auf Dauer leisten,
Kundenwünsche zu ignorieren.
Kaufen Sie weniger, aber hochwertigere Kleidung. Verzichten Sie auf billige Kleidungsstücke, die nur eine Saison halten."
Alex, für die Cordhosenkampagne
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